1. Jan. 2018

1. Jan. 2018,  Guwahati, Tag 5

Ich beginne das neue Jahr mit einem Ruhetag.

Lesen, Musik hören und auch Schlafen. Ich erhole mich von den Strapazen der letzten Tage. Die nächsten Tage sollen weniger anstrengend werden - mal Sehen!

Am Nachmittag organisiert die Reiseleitung Taxis, damit ein paar von uns zum Kamakhya Tempel zu fahren. Es ist de bekannteste Tempel in Guwahati un er liegt auf dem Nilachal Hill.

Es scheint, als wäre ganz Guwahati mit den Autos unterwegs. Jedenfalls ist die  NH27 komplett verstopft und es dauert fast 90 Minuten bis wir endlich den Hügel erreichen. Jetzt geht es in Serpentinen hinauf und immer wieder wird die Fahrt durch abwärts fahrende und überholende Autos unterbrochen.

Bald muss ich die Empfindlichkeit der Kamera auf 32'000 ISO stellen, um überhaupt noch eine vernünftige Verschlusszeit zu bekommen. Der Preis ist Rauschen. Aber Bilder müssen nicht immer perfekt sein. Die Information darin ist entscheidend.

Gegen 5 Uhr erreichen wir endlich das Ende der Strasse und steigen aus. Aber auch hier ist kaum ein Durchkommen. Der Erste Januar ist scheinbar der beste Tag um den Tempel zu besuchen.

Leider steht die Sonne auch schon sehr tief und in einer halben Stunde ist es dunkel - eine schlechte Zeit für Fotos!

Die letzten dreihundert Meter gehen wir zu Fuss, gegen den Strom der Heimkehrenden.

Alle tragen einen roten fleck auf der Stirne, was bedeutet, dass sie im Inneren des Tempels waren - und einen Obulus entrichtet haben.

Man sagt uns, dass man heute bis zu 5 Stunden anstehen müsse, wenn man ins Innere wolle.

Dann stehen wir vor dem Tor zum Tempelgelände. Dieser ist mit einer hohen Mauer umschlossen und es gibt nur den einen Eingang. Davor steht die Polizei mit Gewehr und Stöcken bewaffnet. Sie achten darauf, dass niemand mit Schuhen eintritt.

Wir ziehen also unsere Schuhe aus, und damit wir sie auch wieder finden. legen wir alle auf einen Haufen. Ich behalte die Socken an, die kann ich nachher wieder waschen.

Jetzt werden wir eingelassen.

Vor uns ist der Tempel, in der Mitte des Platzes,  und etwa einen Meter tiefer. Die Kuppel ist rot beleuchtet. Die Pilger um runden den Tempel mit der runden Kuppel und steigen dann hinunter. Unterwegs verneigen sie sich oft vor den vielen göttlichen Figuren. 

Aber noch öfter als Beten machen sie Fotos und Selfies.

Andere stecken Kerzen an. oder geben die orangefarbenen Blumenkränze den anwesenden Ziegen zum Frass.

Ich gehe in den Vorhof des Heiligtums und am anderen ende wieder hinaus. Da steht ein Guru (?) und will mir den roten Klecks aufmalen. Ich wehre ab und bedanke mich.

Inzwischen ist es so dunkel geworden, dass die farbigen Leuchtbilder eingeschaltet werden können. Wir sind auf dem Rückzug. An jeder Ecke sitzt jemand und bettelt. Oft wird man ganz aggressiv aufgefordert etwas zu geben. Dem verweigere ich mich. Als aber ein alter Mönch einfach ruhig vor seiner Schale sitzt, gebe ich ihm einen Zehner, erlaube mir dann aber ein paar Bilder von ihm zu machen. So haben beide etwas davon.

Die vielen Essenstände zeigen die Initiative Einzelner, etwas dazu zu verdienen. Vielleicht haben sie aber auch keine andere Arbeit.

Das Angebot besteht meist aus Reis oder Nudeln mit etwas Gemüse. Fleisch findet man kaum oder höchstens in minimale Menge.

So habe ich einmal reis mit Huhn bestellt und eine grosszügige Schüssel voller Reis bekommen. Das Huhn waren etwa 10 erbsengrosse Stückchen.

Diesmal treiben wir mit dem Strom zu den Autos und den Taxis. Schnell sind zwei 6-Plätzer zur Stelle und wir zwängen uns hinein.

Während dem Warten sehe ich ein paar dunkle "Haufen" im Schatten der Strassenbeleuchtung liegen. Zuerst sieht es aus als hätte hier jemand Müllsäcke abgelegt. Aber beim genaueren Hinsehen stelle ich fest, dass es in Lumpen gehüllte Menschen sind, welche kein Obdach haben.

Mir kommt der Gedanke, dass "Müllsäcke" gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Diese Menschen sind an den äussersten Rand der Gesellschaft gedrängt worden und werden von dieser nicht mehr wahrgenommen - gleich wie sie mit dem Müll umgehen.

2. Jan. 2018,  Guwahati - Bongaigaon

Jürgens Auto läuft noch immer nicht. Inzwischen ist es mit einem Tieflader von Imphal bis hierher gebracht worden.

Das Auf- und Abladen war nicht ganz unproble-matisch. Zum aufladen musste ein Rampe aus Kies gebaut werden, damit das Fahrzeug  hinauf gezogen werden konnte. Das Abladen war dann etwas einfacher: Ein halbes Dutzend Männer hat es mit einem seil heruntergezogen.

Leider sind jetzt noch ein paar Dinge zusätzlich kaputt gegangen.

Weil das WoMo für in die Werkstatt zu hoch ist, will man bewirken, dass ein Mechaniker auf den Platz kommt um es zu reparieren.

Aber das ist noch nicht alles. Kühe haben freien Zugang zur Strasse und steigen oft auch auf den Mittelstreifen weil da das spärliche Gras wahrscheinlich  besser ist. Plötzlich rennt ein Kalb über die Fahrbahn oder eine Herde Schafe sucht die andere Seite.

Um halb 9 fahre ich ab. etwa 220 km liegen vor mir. Ich habe die Wahl, den ersten teil der Strecke über eine "Autobahn" oder eine Nebenstrasse zu fahren.

Die "Autobahn" ist eine 2x2-spurige richtungs-getrennte Strasse. Die niedrige mauer, welche die beiden Fahrrichtungen trennt ist immer wieder unterbrochen, damit man von der Fahrbahn abfahren kann. Das hat aber zur Folge, dass immer wieder "Geisterfahrer" einem entgegen kommen. Manchmal begegnen sie einem rechts, dann wieder mal links.

Vorerst fahre ich aber noch auf der Nebenstrasse, welche durch Dutzende von Dörfern führt, der Verkehr zwar dicht, aber nicht hektisch ist.

Hier erlebt man weniger Überraschungen als auf der "Autobahn", auf welche bis 80 kmh gefahren werden darf, die meisten aber schneller unterwegs sind. 

Wenn ich dann aber nur 50 fahre, und so ist es jetzt, muss ich auch immer nach hinten aufpassen.

Wie es in so einem Dorf am Morgen abläuft, zeigen die beiden Filme:

Es ist 11 Uhr und ich erreiche Nalbari, von wo aus ich auf der "Autobahn" weiterfahre. Für die  40 km habe ich zweieinhalb Stunden gebraucht.

Der Vorteil ist, dass alles viel langsamer abläuft und ich auch mehr Zeit habe, mich umzusehen.

3. Jan. 2018,  Bongaigaon - Murti

Kaum bin ich losgefahren, komme ich auch schon in den Nebel. Den ganzen Tag werde ich entlang des Brahmaputra und seiner Zuflüsse fahren - ein Nebel und Nebelwaldgebiet.

Der Weg führt durch Dooaren, eine Ebene die südlich des äusseren Himalayas und nördlich des Brahmaputra-Beckens verläuft. Die Landschaft ist geprägt vom Teeanbau, dem Tourismus und Bauholz.

Ich suche vergeblich nach Menschen, welche die Teeblätter pflücken. Entweder sind die Felder bereits abgeerntet und deshalb braun oder wenn sie grün sind, sind die Blätter scheinbar noch zu klein.

Die Strasse führt  über weite Strecken entlang des Brahmaputra und seinen vielen Seitenarmen. Nach einer Brücke halte ich an und gehe ein Stück zurück. Zuerst glaubte ich, es wären Fischerboote auf dem Fluss. Aber als ich näher komme sehe ich, dass junge Männer Kies aus dem Fluss holen. 

Am Ufer entlang hat es ein paar Hütten - es sind es offenbar Fischer die hier hausen.

Am späteren Nachmittag erreiche ich den Über-nachtungsplatz auf einer grossen Wiese bei Bongaigaon.

Daran grenzt das Chapramari Naturschutzgebiet. Es ist eines der wichtigsten Rückzugsgebiete für Elefanten, indische Büffel (Gaur), eine Vielzahl an bunt gefiederten Vögeln und Hirscharten, wie den wunderschönen Axishirsch, den ich leider bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen habe.

Auch Leoparden sollen hier vorkommen.

Nach einer Stunde überquere ich die Grenze zum indischen Bundesstaat West-Bengalen. Seine Fläche entspricht etwa der Grösse von Österreich, beherbergt aber über 90 Mio Einwohner. Er ist damit einer der bevölkerungsreichsten Staaten Indiens.

Unterwegs halte ich in einem grösseren Dorf, in welchem an mehrere Ständen Früchte und Gemüse angeboten werden. Ich kaufe grosse Mandarinen, eine Hand kleine Bananen und zwei kleine Gurken. Dann sehe ich mich nach Eiern um, sehe aber keine.

Gerade als ich ins WoMo zurück will, sehe ich direkt nebenan einen grossen Güggel und dahinter das Eiergeschäft.

Für  70 Ruppien ( Fr. 1.10)  bekomme ich 10 grosse Eier. Dummerweise habe ich die Kamera im Auto gelassen, darum steige ich nochmals aus und gehe zu den Ständen zurück. Überall begegnet man mir mit Interesse und Freude.

Für die nächsten Tage wollte ich mit Thomas und Clara nach Darjeeling hoch fahren. Thomas hat alles schön vorbereitet und wir könnten am dritten Tag wieder zur Gruppe stossen. Die Stadt Darjeeling ist zwar nicht sehenswert, sie ist gross und schmutzig und man kann sich kaum vorstellen, dass von dort so exzellenter Tee kommt.

Interessant wäre die Himalaya-Schmalspurbahn.

Leider ist aber die Wetterprognose schlecht, zudem ist es auch die falsche Jahreszeit. Vielleicht ergibt sich zwischen Nepal und Buthan nochmals die Möglichkeit.

Über Nacht stehen wir eng beisammen im Resort Olive Village,.

Nachher will ich mal ins Restaurant um zu sehen, ob es etwas Gutes zum Abendessen gibt.

4. Jan. 2018,  Murti - Malda

Wir sind unterwegs in den Süden, Kalkutta entgegen. Als Folge davon wird die Besiedlung immer dichter. Inzwischen folgt ein Dorf dem anderen und nur noch selten liegt eine freie Strecke dazwischen.

Sobald ich einmal für eine Pause anhalte, scharen sich die jungen Männer und Buben ums WoMo. Jeder versucht einen Blick ins Innere zu erhaschen. Vor der Kühlerhaube stehen sie auf den Zehen und ich bin mir nicht sicher, ob nicht gleich einer auf die Haube klettern will. Um dem vorzubeugen, schliesse ich jeweils die Verbin-dungstür.

Ich lasse mir sagen, dass das kühle und neblige Klima für den Teeanbau besonders günstig sei.

In den letzten Tagen hat sich das Klima deutlich verändert. Je südlicher wir kommen, desto kälter wird es. Heute morgen war es 8° und über den Tag nicht wärmer als 18°. Dazu kommt noch der Rauch vom Unrat verbrennen und vom Heizen, welcher zusammen mit dem Nebel einen dauernden Smog ergeben.

Endlich treffe ich Frauen, welche Tee pflücken. Sie füllen die abgeschnittenen Zweige in grosse Tücher, welche sie zu Ballen zusammenbinden. Dann lassen sie sie liegen bis  jemandem mit einem Fahrzeug sie abholt.

An anderer Stelle werden die bereits abgeernteten Büsche zurückgeschnitten.

Manchmal winken die Frauen mit viel Hallo, andere schauen nur mürrisch und misstrauisch und fragen sich wohl, warum ich anhalte.

Die anderen Neugierigen sind die Affen, welche sich entlang der Strasse tummeln.

Einmal halte ich bei einem grösseren Affen an. Er sitzt unbeteiligt am Strassenrand. Jetzt will ich im meine Gummischlange zeigen und sehen, wie er reagiert: Zuerst wirkt er etwas erschrocken oder verwundert, rührt sich aber nicht. Dann steht er langsam auf und geht weg. Ich hätte mir ein Aufschrecken und ein Geschrei erhofft.

Ob die Schlange etwas hilft wenn sie auf dem Armaturenbrett liegt?  Eine Kobra habe ich zudem auf dem Dach angebunden.

Spannend sind vor allem die Fahrten durch die grösseren Ort. Oft sind sie an Kreuzungen von wichtigen Strassen gelegen.

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Schaut euch die Bilder und den Film an, sie sagen mehr als tausend Worte.

Das Laden dauert etwas!

5. Jan. 2018,  Malda - Dubrajpur

12 km südlich von Malda befindet sich eine der wichtigsten Ruinenstadt des indischen Subkonti-nents:  Gaur.

Gaur war von 1453 bis 1565 mit Unterbrechungen Hauptstadt des Sultanats von Bengalen. Gaur liegt zwischen den Flüssen Ganges und Mahananda. Die zur Stadt gerechneten Ruinen erstrecken sich über eine Länge von etwa 30 und eine Breite von 6 km. Ein Teil des ehemaligen Stadtgebiets liegt heute in Bangladesch.

Gaur existierte schon unter der Pala- und der Sena-Dynastie, d. h. vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert.

2 Stunden später fahre ich der Sonne entgegen.

Kurz vor Farakka überquere ich den Ganges. Die  Farakka Barrage ist 2'240 Meter lang und wurde zwischen 1961 und 1975 gebaut. nebst der Strasse führt auch ein Bahngleis darüber.

Bereits 2 km vor der Brücke, sie ist noch nicht in Sicht, stauen sich die Laster auf zwei Spuren.

Ganz zu Beginn des Staus werde ich von einem "Hilfspolizisten" auf die Gegenspur geleitet und fahre bis ganz nach vorne.  Dabei sehe ich mehrere WoMos aus unserer Gruppe zwischen den LKWs stehen.

Dann wird es ungemütlich, die entgegen-kommenden Fahrzeuge müsse weit in den Sand-streifen hinaus fahren, damit sie an mir und den anderen Autos vorbei kommen.

Ganz vorne angekommen warte ich etwa 5 Minuten, dann wird wieder ein Paket LKWs, diesmal mit mir, auf die Brücke gelassen.

Immer wieder bleibt die Kolonne stehen und merkwürdigerweise kommen nur Motorräder und Ritschkas entgegen.

Als ich in der Brückenmitte ankomme. sehe ich, was der Grund für den Stau ist: Ein defekter Lastwagen.

Danach läuft es wie geschmiert und ich fahre an einem ebenfalls 2 km langem Stau vorbei.

Interessant ist, dass während dem langen Warten nicht gehupt wird. Niemand ist unzufrieden, ich sehe nur fröhliche und neugierige Gesichter. Indien überrascht!

Die islamischen Machthaber, allen voran Sham-suddin Ilyas Shah, demontierten und zerstörten die Bauten Gaurs und errichteten in Pandua ihre neue Hauptstadt, doch im Jahr 1453 verlegte der Sultan Nasiruddin Mahmud I. (reg. 1435–1459) den Regierungssitz zurück und nannte die Stadt nunmehr Jannatabad. Die älteste in Gaur gefundene Inschrift datiert aus dem Jahr 1457. Gaur blieb auch nach der Plünderung durch die Truppen Sher Shah Suris (um 1537/8) das politische Zentrum Bengalens bis dieses von Sulaiman Karrani (reg. 1566–1572) weiter westlich nach Tanda verlegt wurde. Eine Ursache hierfür soll die Verschiebung des Flusslaufs des Ganges nach Westen gewesen sein, als weiterer Grund für den Verfall der Stadt wird eine zunehmende politische Instabilität angenommen. Im Jahr 1575 wurde Gaur nach dem Ausbruch einer Pestepidemie endgültig verlassen.

Eigentlich macht es keinen Sinn da die Stadt Malda und die ganze Umgebung in dichten Nebel gehüllt sind. Den Umweg von 20 km hätte ich mir sparen können, zumal die Strecke zur Grenze von Bangladesh führt und wegen des starken LKW-Verkehrs nur mühsam zu befahren ist.

Trotzdem hier ein paar Bilder aus dem Internet.

Ganges

Der Ganges ist der über 2'600 km lange zweit-grösste Fluss von Indien und Bangladesch. Er durchfliesst die grosse Ebene südlich des Himalaya, die eines der am dichtesten bevölkerten Gebiete der Erde ist. Der Ganges ist der heiligste Fluss der Hindus und zugleich sehr stark durch Abwässer und Schadstoffe belastet.

Der Name Ganges bezeichnet im engeren Sinne nur den Hauptteil der grossen Sammelader der zahlreichen Gewässer im zentralen Teil der nordindischen Tiefebene. Er steht aber auch für das Flusssystem insgesamt, das charakterisiert ist durch eine ungewöhnlich grossräumige und rasche Veränderlichkeit der Wasserläufe mit der Folge, dass vielfach die historisch gewachsenen Flussnamen mit den heutigen Hauptströmen nicht mehr übereinstimmen.

Die weitere Fahrt führt mich durch ein intensiv bewirtschaftetes Gebiet - dank des Ganges ist genügend Wasser da.

Die Dörfer sind vom Bauernstand geprägt. Überall sind Heuhaufen zu sehen und Tiere wie bei uns laufen frei herum.

Später halte ich bei einer Ziegelei. Auf einem grossen Areal werden Lehmziegel zum Trocknen ausgelegt und gelegentlich gewendet.

Zuerst denke ich, es wäre ein Affe, der da zwischen den Ziegel herum hopst. Dann sehe ich, dass es ein Kind ist, welches hier arbeitet. Nach ein paar Minuten sieht es mich und versteckt sich hinter einer Mauer: Kinderarbeit! Offenbar weiss es, dass es verboten ist, aber wer kümmert sich schon darum. Anders sieht es aber aus, wenn Leute aus dem Westen fotografieren. Das sieht man wahr-scheinlich nicht gern. Und so mache ich mich wieder auf den Weg bevor man auf mich aufmerksam wird.

Was ich nicht begreife und auch nie begreifen werde, ist, wie man mit dem Müll umgeht: Man lässt ihn einfach liegen, wie wenn jemand dafür da wäre, ihn wegzuräumen.

Was das für einen Einfluss auf Mensch und Tier hat ist unvorstellbar. Hier sehe ich zum Beispiel, wie eine Kuh ihr Fressen in einem Müllhaufen sucht und sogar etwas findet.

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Auch wenn der Markt vorbei ist, bleiben alle Abfälle liegen und es stört offenbar niemanden, wenn er am nächsten Tag den Stand im gestrigen Abfall aufstellt. Zwar haben die vielen Ziegen und Hunde inzwischen einiges davon gefressen.

Ein Stau kommt selten allein: Gleich zwei kurz hintereinander sind noch auszustehen: Der erste ist bei einer Ampel. Der wäre an sich schnell vorbei, aber da haben sich zwei LKWs ineinander verkeilt.

Während dem Warten kommt das halbe Dorf ans WoMo und bettelt. Sie sind beharrlich und bleiben stehen.

Der ersten Frau mit Kind gebe ich 2 Münzen (5 Rupien). Das reicht ihr aber nicht und sie fordert mehr, damit das Kind zu Essen habe. Es geht nicht lang und dann kommen weitere Mütter, aber auch Kinder und halten ihre schmutzigen Hände an die Scheibe. Wenn ich nur weiterfahren könnte! Weil ich nicht mehr reagiere klopfen sie an die Autotür, bis ich genug habe und sie ruckartig aufreisse. Da lassen sie von mir ab.

Dann endlich komme ich auf dem Übernachtungs-platz an. Schon von weitem sehe ich ein Menge neugieriger Menschen, welche nach Ankunft des ersten WoMos gleich das ganze Dorf mobilisiert  haben.

Ich stelle mich etwas abseits vom grossen Rummel ab und hoffe, dass ich unbehelligt bleibe. Dann mische ich mich unters Volk, um ein paar Bilder zu schiessen.

Der nächste Stau ist vor einem Bahnübergang. Ich sehe zwar nicht nach vorne, aber ich kann es mir gut vorstellen wie es da aussieht:  Über die ganze Breite stehen Autos vor der Schranke und warten, bis sie hoch geht. dann drängt alles nach vorne, Fussgänger, Ritschkas, Handwagen, Fahrräder, Mopeds, Autos, Minibusse, einzig die LKWs und die WoMos warten geduldig bis es weiter geht.

Kurz nach 5 wird es dunkel und die meisten Besucher gehen nach Hause. Nur einige Unent-wegene streichen noch eine Stunde um die WoMos, klopfen an die Wand oder rufen, damit man öffne. Aber dann ist es ruhig. Nur die nahege-legene Bahnlinie sorgt für ein stetes Gehupe.

Um 8 Uhr erfahre ich, dass das Teamfahrzeug eine Panne hatte und sie darum erst spät eintreffen würden. Spontan lade ich Susi und Manni zu Spaghetti ein. Eine Stunde später treffen sie ein und das Essen ist bereit. Wir plaudern noch bis 11 Uhr. Dann ist auch bei mir Nachtruhe.

6. Jan. 2018,  Dubrajpur - Baleshwar

Um 5 Uhr erwache ich und habe kalte Füsse. Ich ziehe Socken an und stelle die Heizung ein. Um 6 stehe ich auf und sehe, dass es draussen nur 5° ist.

Um 7 Uhr 15 fahre ich los. Vor mir liegen etwa 350 km und ich weiss nicht welche Verkehrssituationen mich erwarten.

Ich verlasse den Platz, welcher am Rand von  Dubrajpur liegt und fahre in die kleine Stadt hinein. Die Strasse ist schmal, zu beiden Seiten grenzen die Häuser direkt an die Strasse. Vor mir fährt ein Bus. Als er anhält ahne ich noch nicht, was da auf mich zukommen wird.

Nach ein paar Minuten wird klar, dass da ein Problem sein muss. Ich steige aus und gehe nach vorne um zu schauen: Ein entgegenkommender LKW steht unbeweglich mitten auf der Kreuzung. Dass er ausgerechnet so stehen bleibt, so dass keiner mehr vorbei kommt!?

Der Tag fängt ja gut an!

Nach einer Weile beginnen die Fahrzeuge hinter mir zu wenden, bzw. rückwärts zufahren. Wenden  kommt für mich nicht in Frage und darum steige ich aus, um zu sehen, wie es hinter mir aussieht. Dann steige ich ein und fahre ebenfalls langsam rückwärts - ohne Hilfe ist das gar nicht so einfach.

Jedenfalls bin ich schon etwa 100 Meter zurück, als ich sehe, dass es vor mir plötzlich weiter geht. Bei der Durchfahrt bemerke ich, dass der defekte LKW scheinbar etwas zur Seite geschoben wurde. Es ist zwar eng und nachdem ich den rechten Aussenspiegel eingeklappt habe, komme ich auch durch.

Die Weiterfahrt gestaltet sich abwechslungsreich: Einmal sind es die Brücken, welche nur einspurig befahren werden können, dann ist es ein Lichtsignal welches auf Rot steht und wenn es wechselt fahren alle gleichzeitig los und es dauert ein paar Minuten, bis der Verkehr wieder fliesst.

Aber das Aufregendste sind die Bahnübergänge. Vorab gesagt: Wenn man mal an einem steht, wird man auch an den anderen Übergängen stehen, weil der Zug genau gleich schnell fährt.

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Aber vorerst weiss ich ja noch nicht, dass da vorne eine geschlossene Schranke ist. Ich halte hinter einem LKW an und denke, dass er gleich weiterfahren wird. Dann wird die Kolonne von einem PKW rechts überholt und ich sage mir; Was der kann, kann ich auch - und fahre los. Schnell wird mir klar, dass da etwa 50 Laster hintereinander warten, alle schön links, so dass der Gegenverkehr rechts durch kann - nur da ist bei geschlossener Schranke kein Gegenverkehr.

Dann stehe ich fast ganz vorne. Vor mir sind nur noch ein paar Fahrzeuge und jede Menge an Mopeds. Die Schranke ist geschlossen und ein bis an den Horizont reichender Güterzug steht auf dem Übergang. Noch müssen etwa 10 Wagen durch, damit die Schranke öffnet, aber er steht.

Ich steige aus und gehe nach vorne. Jetzt sehe ich, dass es buchstäblich so ist wie es mir geschildert wurde: Auf beiden Seiten des Übergangs stehen unzählige Fahrzeuge über die ganze Strassenbreite verteilt. Dazu kommen noch ein paar Mopedfahrer, welche unter der Schranke durch sind und jetzt in Gegenrichtung vor der anderen Schranke stehen.

Dann bewegt sich der Zug wieder und ich denke, dass ich gleich zum WoMo zurück muss.

Aber sogleich bleibt der Zug wieder stehen und nur noch der letzte Wagen versperrt die Durch-fahrt.

Das ist zu viel für die Mopedfahrer. Waren sie bis jetzt ruhig und geduldig, so hebt jetzt ein Hupen aus allen Hörner an. Der Zugführer, welcher am anderen, nicht mehr sichtbaren Ende ist, bekommt davon natürlich nichts mit.

Für mich ist es ein Fest, dies ansehen zu können.

Und als dann der letzte Wagon auch noch durch ist und die Schranke sich hebt, geht ein Inferno los.

Ich bleibe noch einen Moment vorne stehen, um ein paar Bilder als Erinnerung mitnehmen zu können, dann aber muss ich mich nach hinten beeilen.

Sie fahren alle gleichzeitig los, ich auch und es grenzt an ein Wunder, wie sich alles aneinander vorbeischiebt, zwar langsam, aber alle kommen problemlos durch.

Das war eine eindrückliche Vorstellung, wie ich sie mir in Europa nicht vorstellen könnte.

Ein betrübliches Kapitel sind die vielen Unfälle mit LKWs. Immer wieder treffe ich auf solche, die umgekippt, in einen Graben gefahren oder auf ein Hindernis gestossen sind. Manchmal sehe ich auch, wie die Ladung von Hand auf ein anderes Fahrzeug umgeladen wird, zum Beispiel Kohle. Da stehen 10 schwarze Männer und füllen die geflochtenen Körbe mit denen sie die Kohle umladen.

Aber es gibt auch noch Schönes zu sehen. Ein paar Beispiele hier:

Der nächste Bahnübergang ist nicht mehr weit und die Laster stauen sich wieder. Ich verfahren in der bewährten Manier und fahre nach vorne. Bis zum Ziel sind es dann insgesamt 6 Übergänge, die ich so bewältige. Anders könnte ich das Tagesziel kaum erreichen.

Dazu muss ich noch sagen: Die Fahrer der Lastwagen stören sich daran nicht. Wenn es dann an der Spitze eng wird weil zwei Kolonnen sind in eine fügen müssen, lassen sie sich gegenseitig problemlos hinein. Einen gewissen Bonus habe ich ohnehin. Sie sind immer sehr neugierig und lehnen sich oft aus dem Fahrzeug um bei mir vorne hineinzusehen.

7. Jan. 2018,  Baleshwar - Puri

Heute fahren wir bis zum Golf von Bengalen. Hier werden wir 3 Nächte stehen und uns etwas ausruhen. Für morgen und übermorgen sind kulturelle Ausflüge geplant.

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Die 250 km sind gut zu bewältigen. Inzwischen ist fast die ganze Strecke als Autobahn im indischen Sinn ausgebaut. Lediglich ein paar Brücken fehlen noch und dort zwängt sich der Verkehr durch ein Nadelöhr. Ein anderes Nadelöhr ist eine Mautstelle wo es ein Problem mit einer Zahlstelle gibt. Weil jede Durchfahrt unglaublich lang dauert, bilden sich auch im Normalfall Kolonnen. Beim Bezahlen werden zuerst die Geldscheine sorgfältig geprüft.

Das mit den eingefügten Filmen geht scheinbar nicht richtig. Ich werde mir dazu etwas einfallen lassen.

Um die Mittagszeit erreiche ich Bhubaneswar. Hier habe ich die Koordinaten eines Supermarktes mit angeblich grosser Auswahl bekommen. Der Weg führt natürlich mitten in die Stadt.

Ich fahre gerne so richtig im Getümmel und im wirren Verkehr. Meine Devise ist: Ich fahre im Schritttempo und lasse alle vor, welche möchten. So lösen sich alle Engpässe und Knoten von selbst. Bisher ist immer alles gut gegangen und ich hoffe, dass es so bleibt. Oft ist der Verkehr auf den Landstrassen belastender, weil da viel schneller gefahren wird.

Inzwischen sind wir im Bundesstaat Odisha angekommen und die Polizisten sehen auch nicht mehr wie Landarbeiter aus.

Obwohl Helmpflicht besteht, gibt es viele Motor-radfahrer ohne Helm. Dieser hier zum Beispiel will vielleicht seinem Mädchen zeigen, wie toll es ist, den Fahrtwind bei 80 kmh um die Ohren zu spüren.

Überhaupt ist von den Verkehrsregeln, von welchen es in Indien auch welche gibt, nichts zu sehen.

Die Lastwagen fahren grundsätzlich auf der Überholspur. Dadurch müssen sie kaum mal die Geschwindigkeit reduzieren weil ein Fahrzeug vor ihnen anhält oder abzweigt.

Dann erreiche ich die Uferstrasse in Puri und sehe den Golf von Bengalen. Vor mir breitet sich der Sandstrand aus und er ist bevölkert. Inzwischen ist es auch wieder wärmer geworden, tagsüber bis 30°.

Wir stehen am Stadtrand auf einem sandigen Platz des Blue Lily Beach Resort. Auf der benachbarten Wiese findet gerade ein Fussballspiel statt und ich höre die Lautsprecherdurchsagen. Morgen, wenn sie frei ist, dürfen wir auf die Wiese wechseln.

Das Angebot im Supermarkt ist zwar nicht gross, aber ich habe ein paar wichtige Sachen kaufen könne. Diese Art von Supermarkt ist zwar klein, aber man findet sie nicht in jeder Stadt. Darum kaufe ich nochmals UHT-Milch, Apfelsaft, Butter, Toastbrot und Knoblauch (der hat in der Spaghettisauce gefehlt) .

Auf dem Weg aus der Stadt halte ich noch bei einem ATM um Geld zu ziehen. Auch die findet man in den Dörfern abseits der Hauptstrasse nicht.

Beim Supermarkt sehe ich wieder einmal einen riesigen Motorrad-Parkplatz. Wie man da seinen Töff wieder findet, ist mir schleierhaft.

Dann werden diese in einer Schublade versorgt und nachdem der Computer anzeigt, wie gross das Rückgeld ist, dieses aus der Schublade geklaubt und zweimal sorgfältig gezählt. Dann wird der Beleg ausgedruckt. Bis das ausgestanden ist, sind leicht mal 2 Minuten verstrichen.

Jetzt sind zum Beispiel 4 Zahlstellen, wovon eine nicht läuft. Das ergibt 60 Min. / 2 Min. x 3 = 90 Fahrzeuge pro Stunde!

Übrigens sind immer wesentlich mehr LKWs als PKWs auf der Strasse. Bei diesen muss ein Helfer das Geld entgegen nehmen und dem Kassier übergeben.

Die müssen also links überholt werden. da aber tummelt sich alles andere, vom Fahrrad übers Moped und der Ritschka bis zum Auto und dem Kleinlaster. Das heisst, wenn man schneller als die Laster ist, was noch schnell mal der Fall ist, ist man gezwungen, Slalom zu fahren.

Dazu kommen noch die vielen Kühe, Ziegen und Hunde die überall auf der Fahrbahn stehen oder liegen. Im Laufe eines Tages sehe ich bestimmt 5 - 6 überfahrene Hunde am Strassenrand liegen. Wie lange sie dort bleiben ist mir nicht bekannt.

Selbst wenn ich nur mal schnell aufs Navi oder in den Rückspiegel schaue, kann es passieren, dass ich über eine arge Bodenwelle fliege. Nachher muss ich dann jeweils wieder das WoMo auf-räumen. Das ist zwar weiter nicht schlimm, das Aufräumen meine ich. Das Risiko, dass etwas am Fahrwerk kaputt geht, ist aber gross. Also muss ich sorgfältig einteilen, wann ich was machen kann, um immer die Kontrolle zu bewahren. Ich glaube auch, dass inzwischen fast jeder gemerkt hat, dass er bisher oft zu schnell unterwegs war.

Kurz vor dem Ziel wird der Verkehr umgeleitet. Ich fahre auf einer schmalen Strasse durch ein paar Siedlungen. Bei einer wird sogar ein Wegzoll von 50 Rupien erhoben. Ob vielleicht der Polizist, welcher mich umgeleitet hat in diesem Dorf wohnt?

Um 5 Uhr treffen wir uns zum Meeting. Da wir jetzt weiter südlich sind, ist es auch etwas länger hell.

Heute geht es um unsere Befindlichkeit im Allgemeinen und um die weitere Streckenführung im Besonderen.

Viele der Mitreisenden sind unzufrieden mit den täglich zu fahrenden Distanzen. Man fordert, dass die Route unseren Bedürfnissen angepasst, heisst, abgekürzt wird, damit wir wenn möglich um 3 Uhr am Ziel ankommen.

Ich kann mich zwar den meisten Argumenten nicht anschliessen, weil es mir immer klar war, dass dies eine Abenteuerreise ist, bei der viel unbekanntes Terrain bereist wird. Dazu kommt noch, dass bisher einige Übernachtungsplätze, welche vor zwei Jahren noch gut waren, jetzt schlecht sind oder nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Reiseleitung hat darum bereits vor einer Woche ein zusätzliches Zweier-Team einfliegen lassen, welches jetzt 1 - 2 Tage voraus reist um die Plätze zu prüfen, bzw. neue zu suchen. So stehen wir zum Beispiel heute auf einem Platz, der vorher unbekannt war.

Nachdem die Route schon vor einiger Zeit umge-stellt werden musste, was eine Kürzung der Strecke in Indien zur Folge hatte, diskutieren wir heute, sie nochmals umzustellen, bzw. zu kürzen, so dass es möglich sein soll, täglich 2 Stunden weniger lang zu fahren. Damit hätte man dann auch mehr Zeit, unterwegs einen Abstecher zu machen. Dieser Vorschlag wird mehrheitlich angenommen und das Team will bis morgen eine Alternative ausarbeiten.

Gedacht ist, dass wir bereits von Puri aus in Richtung Goa durchs Land fahren und nicht erst ab Chennai. Natürlich sind nicht alle glücklich darüber. Für mich aber stimmt es so.

Ein anderes leidiges Thema sind die Fahrzeuge. Blickt man zurück, so die Reiseleitung, habe es noch nie so viele Unfälle und technische Defekte gegeben.

Da sind zwei Auffahrunfälle, also von Hinten auf die WoMos geknallt. Dazu kommt Tonis Unfall mit dem verlorenen Rad, welches seine Front mit Scheibe zerstört hat. Dann kommt ein abgeschlagener Aussenspiegel dazu.

Rudi hatte in China ein zerbrochenes Kupplungs-gehäuse. Seine Frau Rieke musste für eine Operation nach Hause fliegen.

Dazu kommen verschiedene Probleme mit Gas, Kühlschränken und Elektrik. Seit gestern wird meine Aufbaubatterie während der Fahrt nicht mehr geladen. Morgen schaue ich es mir an.

Im Moment kommen also etwas viele Probleme auf uns zu. Das hat auch einen Einfluss auf die Belastbarkeit des Einzelnen.

Ich fühle mich aber gut, habe keine Zweifel oder Ängste und nehme es wie es kommt!

Die beiden Sprinter mit EURO 6 hatten von Anfang an Probleme und die Fehlermeldungen mussten mehrmals täglich zurückgesetzt werden. Dank meinem Testgerät war das möglich. Später wurden sie in einer chinesischen Werkstatt umprogram-miert. Jetzt fällt das weg.

Jürgens Sprinter mit Getriebeschaden wartet auf ein neues Getriebe aus Deutschland. Und heute haben wir erfahren, dass Thomas einen Defekt am Differenzial hat, welches möglicherweise noch ein defektes Getriebe nach sich zieht. 

Morgen wissen wir vielleicht mehr.