15. Jan. 2018

15. Jan. 2018,  Rajahmundri - Keesara

Der zweite Tag des Festes, der 15. Januar, ist der wichtigste und heisst Surya Pongal. Surya bedeutet Sonne, und so werden an diesem Tag besondere Gebete und Zeremonien dem Sonnen-gott Surya dargebracht. Morgens sieht man vor den Eingängen der Häuser und Hütten besonders aufwendige Rangolis oder Kolam, mit farbigem Pulver gestreute abstrakte oder konkrete Bilder. Damit werden Götter und Menschen ins Haus eingeladen. Häufig befindet sich im Zentrum eines Rangoli etwas Kuhdung und fünfblättrige Kürbis-blüten, als Symbol für Fruchtbarkeit und Opfergabe an die Gottheit. Die Häuser werden besonders gereinigt und geschmückt, und die Menschen tragen neue, frische Kleidung.

Ich fahre heute bewusst durch einige Dörfer statt auf der schnellen NH16. Seit ich weiss, was hinter diesem mehrtägigen Fest steckt, möchte ich sehen, wie es gefeiert wird.

Überall wo ich durchkomme sind viele Menschen unterwegs. Weil die meisten Geschäfte geschlos-sen sind, blüht der Handel auf der Strasse. Nebst den üblichen Ständen mit Früchten und Gemüse, sind es vor allem die Spielzeuge, die die Kinder faszinieren. Heute ist der Tag, wo die Kinder ihre Wünsche erfüllt bekommen. Es macht den Eindruck, als würde man nicht mehr an den ursprünglichen Sinn dieses Festes denken. Lautsprecherwagen verkehren auf den Strassen mit ohrenbetäubendem Lärm. Alles läuft und springt kreuz und quer über die Strassen.

Ich halte immer wieder an und stürze mich ins Getümmel. Überall dreht man sich nach mir um - Westler sind hier nur selten zu sehen. Man winkt mir zu, bittet um ein Selfie oder wirft sich sonst in Pose. Die Eltern zeigen gerne ihre Kinder und freuen sich, wenn ich sie fotografiere.

Dann beobachte ich wie eine Frau ein Huhn kauft. Die Hühner sind alle noch ganz frisch und bleiben es auch bis sie zu Hause ankommen - sie leben noch! So werden ihnen zum Beispiel die Füsse zusammengebunden damit man sie ans Motorrad hängen kann.

Jedenfalls stört man sich nicht daran, wenn ich es fotografiere, was nach unserem Empfinden Tierquälerei ist. Hier auf dem Land ist das normal und an der Tagesordnung. Anders würde es übrigens gar nicht funktionieren.

Über Nacht stehen wir wieder auf dem Platz einer Klosterschule. Während dem Pongal-Fest bleibt sie natürlich geschlossen. Aber weil 90 von den 180 Schülerinnen und Schüler Waisen sind, ist der Platz trotzdem belebt. Das merken wir auch bei der Ankunft. Sobald wieder ein WoMo auf den Platz fährt, wird es von einem Haufen, vorwiegend Schülerinnen, umlagert. Die älteren Mädchen sprechen recht gut Englisch und sich zu unterhalten fällt uns leicht. Ich hole das Fotobuch der Schweiz aus dem WoMo  und beschreibe die Bilder. Eines der Mädchen übersetzt für die Jüngeren.

Dann kommen auch noch die Ordensfrauen dazu. Sie erklären uns was sie machen und wieviele Schüler sie haben. Alles erinnert mich an Wurmsbach.

Dann werden wir zu einem leichten Abendessen auf 17 Uhr 30 eingeladen. Wir bringen Löffel und Sühle mit und setzen uns um das Buffet, welches gerade aufgebaut wird.

Heute hat übrigens Rainer Geburtstag und so singen und gratulieren ihm die Schwestern. Dann dürfen wir ans Buffet.

Es gibt: Gschwellti, schon geschält, gekochte Eier, Bananen, Chapatas mit Butter und Konfitüre und Tee. Alles ist ganz einfach und unkompliziert.

Dann nehmen die Mücken überhand und ich fliehe ins WoMo. Hier bin ich zum Glück inzwischen Mückenfrei.

DJetzt bin ich am Schreiben und lasse mich vom Ventilator kühlen. Was würde ich auch ohne ihn machen! Es ist immer noch 30° warm und kühlt erst gegen den Morgen ab.

16. Jan. 2018,  Keesara - Hyderabad

Der dritte Tag, der 16. Januar, heisst Mattu Pongal (Vieh Pongal), was der Tag der Rinder bedeutet. An diesem Tag wird das Vieh von Hand gewaschen, mit Blumen geschmückt und besonders gut gefüttert. Der Mattu Pongal ist da, um dem Vieh Aufmerk-samkeit und Respekt entgegenzubringen, da es den Hauptteil der Arbeit in der Landwirtschaft verrichtet. Es geht darum,  die Wichtigkeit der Tiere für die landwirtschaftliche Tätigkeiten ins Bewusstsein zu rufen.

Als ich dann im Mrugavani Resort ankomme diskutiere ich es mit Mani und wir beschliessen, später am Nachmittag den Dieselfilter auszu-wechseln. Gut habe ich Ersatz dabei! Nach einer Stunde ist das gemacht. Ob das die Lösung ist weiss ich noch nicht. Ich werde morgen auf eine Probefahrt gehen.

Die Strecke nach Hyderabad führt über 260 km auf einer vier- und sechsspurigen Autobahn und ist entsprechend langweilig. Irgendwann merke ich, dass der Motor nicht mehr rund läuft und zeitweise auch das Gas kaum annimmt. Was ist es wohl? Wasser im Dieselfilter? Das wäre das Wahr-scheinlichste weil die Dieselqualität nicht immer die Beste ist.

Später dann finden wir noch eine lose Schelle ausgangs des Turboladers. Nachdem sie wieder befestigt ist mache ich noch ein paar Fotos davon um sie an Samuel Gähwiler, meinem Mercedes-Betreuer zu senden. Spät abends kommt dann die Antwort, dass da vielleicht noch mehr dahinter stecken könnte und er bittet mich noch ein paar Details zu kontrollieren. Darum verzichte ich auf die morgige Exkursion - das Fahrzeug hat Vorrang!

Am Abend lädt uns Rainer zu einem Umtrunk ein. Anschliessend gehe ich mit anderen zusammen ins Restaurant um zu Essen. Bei dieser Gelegenheit diskutiere ich mit Kostya die Möglichkeit, einen Teil der Route abzukürzen und dafür ein paar Tage heim zu fliegen. Im Laufe des Abends kristallisiert sich das dann und ich buche die Flüge.

17. Jan. 2018,  Hyderabad, Tag 2

Gleich um 8 kommt Mani und wir stecken wieder zusammen die Köpfe unter die Motorhaube.

Eine visuelle Kontrolle bringt nichts Neues mehr zu Tage, also gehen wir auf die Probefahrt.

Der Anzug ist wieder wie gewohnt, also hat sich da etwas verbessert. Aber das zeitweilige Ruckeln ist geblieben. Ob es vielleicht mit dem Tempomat zusammenhängt?

Für die morgigen 560 km bis nach Pune habe ich jedoch keine Bedenken.

​

Dann beginne ich meine Reisegepäck zu richten und in die beiden Taschen. welche mir Rosmarie geliehen hat, einzupacken.

Problematisch ist das Notebook. Ich muss es mit Kleider und Frottés so einpacken, dass nichts passiert.

​

Dann geht es gegen Mittag und ich bereite 2 Beutel Fertigrösti für Mani und mich zu, da Susi auf der Exkursion ist.

Der abschliessende Dessert ist nicht ganz nach meinem Geschmack: warmer Schokokuchen mit Vanilleeis.

Am Abend gibt es dann noch ein Gruppenessen. Als besondere Spezialität wird Fish- oder Chicken-Sizzler angeboten.

Es handelt sich um ein gebratenes Fischfilet, welches auf einer sehr heissen Gussplatte serviert wird. Alles ist so heiss, dass das Fett in der Schale noch brutzelt. dazu gibt es noch Gemüse und Reis.

Interessanterweise hat das Restaurant nicht genügend Gussplatten, so dass diese so verteilt werden, dass es für jedes Fahrzeug eine gibt. Da haben nun für einmal die Einzelfahrer, und im Moment gehöre ich ja auch dazu, einen Vorteil.

Den Nachmittag verbringe ich mit Lesen und Ruhen. Dann gegen 17 Uhr kommt die Gruppe aus der Stadt zurück. Rosmarie hat mir zwei "wunderbare" Taschen für wenig Geld gekauft und schenkt sie mir dafür, dass ich ihr manchmal mit ihrem MacBook helfe. Jetzt packe ich nochmals um und lasse die beiden Taschen auf der Sitzbank stehen. Morgen wird sich das dann aber rächen.

Die erste halbe Stunde fahre ich auf der sechs-spurigen Ringstrasse. Langsam wird es Tag und ich fahre auf der NH65 in Richtung Mumbai (früher Bombai) weiter. Die Strasse ist immer noch recht gut, führt aber jetzt durch viele Orte entlang der Strecke. Aus der hohen Durchschnittsgeschwin-digkeit von 75 kmh werden jetzt schnell nur noch 50.

18. Jan. 2018,  Hyderabad - Pune

Ich stehe um 5 auf damit ich um 6, kurz vor der Dämmerung losfahren kann. Dann kommt noch Kostya und bringt mir ein paar Vorschläge, wo ich das WoMo für die 10 Tage stehen lassen kann.

Dann plötzlich steht ein havarierter Karren mitten auf der Fahrbahn. Irgendwie hat ihn das Zug-fahrzeug verloren und jetzt wartet man auf Hilfe. Wenn man es früh genug sieht, hat man Glück. Es kann aber auch sein, dass man hinter einem Lastwagen fährt und wenn der dann ausweicht, bleibt nur wenig Zeit um zu reagieren. Solche Situationen treten täglich mehrmals auf. Inder sind sich der Gefahren gar nicht bewusst.

Interessanterwiese haben die Ochsen hier rote Hörner. Sind sie vielleicht nur angemalt?

Dann mache ich Pause und bin gerade dabei, mich für 10 Minuten hinzulegen. Da tuckert ein Traktor mit Anhänger hinter das WoMo und bleibt stehen. Der rumpelnde Motor aber läuft weiter und somit ist es mit der Ruhe vorbei.

Noch ist die Luft klar und alles ist in das warme Licht des Sonnenaufgangs getaucht.

Bauern fahren mit ihren Ochsenkarren aufs Feld um Zuckerrohr zu schneiden. Dann, wenn die Karren bis oben beladen sind, fahren sie zusammen zur Sammelstelle, wo bereits  20 oder mehr Karren aufs Entladen warten.

Gegen 4 erreiche ich Pune und es dauert nochmals eine Stunde bis ich das Resort "The Corintians" erreiche. Was ich auf der Karte nicht realisiert habe ist, dass das Hotel inmitten der Stadt steht.

Schon an der Pforte dauert es eine Weile, bis man versteht, was ich möchte. Dann öffnet man mir die Schranke und ich fahre auf den grossen Parkplatz.

Die Rezeption liegt etwa 100 Meter entfernt, ich steige den Fussweg hinauf.

Etwas ausser Atem komme ich an und werde bereits erwartet. Ich erkläre, dass ich zweimal übernachten möchte, nämlich von heute auf morgen und dann nach meiner Rückkehr vom 2. auf den 3. Februar. Vorerst scheint alles klar zu sein und ich bezahle die beiden Übernachtungen.

Dann aber kommt der Sicherheitschef und meint, ich können das WoMo nicht hier stehen lassen. Er empfielt mir, es am Flughafen abzustellen.

Auf meinen Einwand hin, dass das für mich nicht in Frage komme und ich darum die Buchung rückgängig machen werden, lenkt man dann aber nach einem endlosen Palaver zwischen der Rezeptions- und dem Sicherheitschef ein.

Inzwischen ist es auch dunkel geworden und ich mache mich daran, das Reisegepäck für morgen fertigzustellen.

Aber noch nicht genug: Jetzt will man noch eine schriftliche Erklärung, in welcher ich festhalte, dass das Hotel für keinerlei Beschädigungen oder Verluset belangt werden könne.

Dann schreibe ich widerwillig auch das noch.

Zu guter Letzt will man auch noch einen Schlüssel der Fahrkabine. Um wenigstens etwas Kontrolle zu behalten, fotografiere ich den Kilometerstand und versperre die Türe nach hinten noch zusätzlich.

​

Endlich darf ich das Zimmer beziehen.

Nicht schlecht - gell?

19. Jan. 2018,  Pune - Zürich

Ich gehe ans indische Frühstücksbuffet. Erst später sehe ich, dass es auch ein kontinentales Frühstück an einem anderen Ort gibt. Aber das hier ist mir schon recht.

Der Milchkaffee ist bereits fertig gemischt und schmeckt gut. Die meisten Inder trinken aber Tee.

Dann gibt es Rührei oder Omelette je nach Wunsch. Anschliessend gebe ich gebratenen Reis und weisse Bohnen an Tomatensauce in den Teller und nehme mir 2 Naan, das typisch indischen Fladen-brot.

Im Prinzip ist es ein einfacher Hefeteig mit Joghurt und etwas Ei und Salz angerührt. Manchmal wird auch Kichererbsenmehl dazu gegeben. Gebacken wird es  in der Pfanne.

Mein Flieger von Pune nach Mumbai geht erst etwa um 17 Uhr. Aber weil es oft zu Verspätungen oder gar Ausfällen komme, empfiehlt man mir, früh hinzugehen und zu schauen, ob es auch einen früheren Flug gebe. Die Fahrt mit dem klapprigen Uber-Taxi quer durch die Stadt dauert eine Stunde.

​

Leider ist der einzige frühere Flug gerade gestartet. Also warte ich geschlagene 6 Stunden bis ich endlich an Bord gehen kann.

Eine Stunde später bin ich in Mumbai.

Weil das indische Mobilnetz so schwach und lang-sam ist, setze ich die Swisscom-SIM-Karte ein und kaufe ein Datenpaket für 19.95.

Jetzt flutscht das Internet und ich sehe schnell, dass um 04.15 die Quatar Airlines nach Doha in Katar und weiter nach Zürich fliegt - und dass es noch freie Plätze hat. Also buche ich.

Der nächste Flug geht um 20.45 nach Abu Dhabi und von dort weiter nach Zürich, also gehe ich gleich zum CheckIn der Etihad Airways.

​

Jetzt beginnt ein Albtraum: 

Man findet keine Buchung von mir. Die Buchungs-referenz soll ein ungültiges Format haben. Unter meinem Namen ist auch nichts zu finden. Ich belege, dass ich eine Buchungsbestätigung erhalten und den Flug auch bezahlt habe. Alles hilft nichts.

Dann sage ich, dass ich halt nochmals buchen würde, aber unbedingt mit diesem Flieger nach Hause will.

Auch jetzt ist nichts zu machen, der Flieger ist voll!

Was nun?

Man rät mir, bei Swiss anzufragen ob es in deren Flug um 02.00 noch Platz habe. Aber als ich dort ankomme, sehe ich, dass das Terminal erst um Mitternacht öffnet. Will ich solange warten, auf die Gefahr hin, auch nicht mitfliegen zu können?

Nein - ich setze mich hin und suche bei ebookers einen anderen Flug.

Um 2 Uhr öffnet der CheckIn und ich stehe vorerst mal 45 Minuten an bis ich am Terminal stehe. Das habe ich verschlafen, ich hätte gleich hingehen sollen.

​

Endlich bekomme ich meine Tickets. Jetzt kann nichts mehr schief gehen.

Schnell informiere ich Vreni, dass sie nicht schon frühmorgens um 6 am Flughafen sein muss, sondern dass ich erst gegen 14 Uhr ankomme.

​

Aber noch bin ich nicht drin. Ich warte nochmals 45 Minuten bis ich durch den Sicherheitscheck bin.

Es ist 5 vor 9 als der Flieger abhebt. Ich habe einen Fensterplatz rechts und hoffe, dass wir über Binz fliegen werden. Neben mir sitzt ein  indisches Paar. Ich verbringe die Zeit mit Lesen und Musik hören. Später schlafe ich auch ein bisschen, kann mich aber nicht erholen.

Um halb Vier gehe ich an Bord. Der Flug bis Doha ist sehr angenehm, der Sitz neben mir ist leer. Es ist noch dunkel als wir landen.

In Doha muss ich nochmals durch den Sicherheits-check, diesmal aber geht es schnell. Dann gönne ich mir ein gutes Frühstück: Krabbensalat.

Kasten

Die indischen Kasten und die "Unberühr-baren" (Dalits) sind auf unserem Weg durch Indien ein Dauerthema. Je länger ich mich damit auseinandersetze, desto aufmerksamer erkenne ich deren Auswirkungen im Alltag.

Aber zuerst ein paar historische Erläuterungen dazu:

​

Die Herausbildung des indischen Kastensystems fand nach gängiger Einschätzung im 2. Jah-rtausend v. Chr. statt, als das Rigveda entstand. In der Anfangsphase des Rigveda werden zwei Gruppen (Varnas, Sanskrit „Farbe“) nach hellerer und dunklerer Hautfarbe unterschieden. In späteren Texten des Rigveda wird die hellere Gruppe in die drei Schichten Brahmanen (Priester), Kshatriyas (Krieger, Beamte) und Vaishyas (Händler, Grundbesitzer) und Shudras (Handwerker, Pacht-bauern) eingeteilt.

Die Kastenzugehörigkeit hat in Indien bis heute kulturelle und soziale Auswirkungen auf viele Lebensbereiche und kann das Verhalten der Kastenangehörigen in diesen Bereichen prägen.

Beruf und Partner: Noch heute bestimmt sie weitgehend, wenn auch längst nicht mehr ausschliesslich, unter anderem die Partnerwahl  und die Berufswahl. Auf alles, was „roti aur beti“ (Hindi: „Brot und Tochter“) betrifft, hat die traditionelle Gesellschaftsordnung weiterhin Einfluss. Eheschliessungen werden zum grossen Teil innerhalb der Kaste organisiert.

Zu Beginn des Fluges erstreckte sich Sand und Wüste unter mir, jetzt im Anflug nach Zürich sehe ich eine schöne  Winterlandschaft.

​

Kurz nach 2 Uhr lade ich von Osten kommend und freue mich aufs Wiedersehen mit Vreni. Die Kinder sind zu Hause geblieben.

Wir fahren gleich zu Jarkko, der heute 2 Jahre alt wird.

Einer 2013 veröffentlichten Studie über 73 indische Kasten zufolge gab es zwei getrennte genetische Gruppen: die Ancestral South Indians (ASI) im Süden von Indien und die Ancestral North Indians (ANI) im Norden, die mit den Bewohnern Zentralasiens, den Kaukasiern und den Europäern verwandt sind. Vor 4'200 Jahren begannen sich diese beiden Gruppen zu vermischen. Dieser Prozess der Vermischung stoppte vor 1'900 Jahren und es wurde üblich, nur noch endogam, also innerhalb der eigenen Gruppe zu heiraten.

Wäscherinnen gelten allgemein als unrein, sie gehören zu den Dalits. Das gilt auch für die vielen menschen, welche die Kloaken der Höher-gestellten reinigen.

Gemeinsame Mahlzeiten: Waren früher grund-sätzlich keine gemeinsamen Mahlzeiten erlaubt, weil Hochkastige das gemeinsame Mahl mit Niedrigkastigen als verunreinigend empfanden, ist heute besonders in urbaner Umwelt die tradi-tionelle Trennung  zwischen den einzelnen Gesell-

schaftsgruppen auch in diesem Bereich grössten-teils aufgehoben. In ländlichen Gegenden dagegen finden sich die alten Strukturen noch fest verankert, obwohl ihnen auch hier nicht mehr absolute Gültigkeit zukommt.

Bedeutung heute: 

Das Kastensystem ist eine sehr differenzierte Gesellschaftsordnung, die auch eine gewisse Dynamik aufweist. Die Kriterien werden regional recht unterschiedlich gehandhabt, darum wäre es in vielen Fällen besser, von „Kastenwesen“ zu sprechen statt von einem „Kastensystem“.

Die Zuordnung einer Person zu einer Kaste sagt wenig über ihren Wohlstand aus. 

​

Aber es gilt: Je höher die Kaste, desto heller die Haut. Es handelt sich weitgehend um eine Einteilung nach ritueller Reinheit und Aufgaben-bereich, nicht jedoch um „Oberschicht“ oder „Unterschicht“, die sich nach finanziellen Kriterien richtet.

​

Durch jahrhunderte- lange Ausbeutung findet sich Armut jedoch tendenziell mehr bei Shudras und Unberührbaren, obwohl auch brahmanische Familien, Angehörige der obersten Kaste, wirtschaftlich sehr schlecht gestellt sein können.

​

1961 wurde das Kastensystem in Indien per Dekret verboten. Aber ein gesellschaftlicher Wandel kann nicht so leicht herbeigeführt werden.

Inzwischen nehmen aber die Aufstände der Dalits zu - vorerst noch gewaltfrei.

Was sehe und höre  ich selbst?

Auf unsere Fragen hin erzählen unsere indischen Guides ein paar Beispiele. 

Beide gehören den Kshatriyas (Kriegern), also einer höheren Kaste an.

​

Oft sollen junge Daltisfrauen von Höherkastigen vergewaltigt worden sein. Aber bei Klagen werden sie nicht geschützt, sie laufen sogar Gefahr, ermordet zu werden wenn sie eine Genugtuungs-summe ablehnen, sondern ein Gerichtsverfahren wollen.

​

​

Ein anderes Beispiel erzählt von einem Dalit, der in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen ist und das Dorf verlassen hat. Nach Jahren, inzwischen vermögend geworden, kehrt er zurück und will im Dorf Einfluss nehmen. Er wird bedroht und muss das Dorf wieder verlassen. Gleichzeitig wird auch seine Sippe aus dem Dorf vertrieben. Aus welchen Gründen auch immer vertrieben, sie finden nie mehr Anschluss in einem anderen Dorf. Sie werden sich irgendwo ausserhalb einer Gemeinschaft niederlassen müssen.

​

Selbst in abgelegenen Dörfern findet man als Kontrast zu den ärmlichen Hütten auch steinerne Prachtbauten. Sie sind in der Regel mit einer hohen Mauer umzäunt und im Innenhof sind oft teure Autos zu sehen. Warum diese Menschen ausge-rechnet hier leben ist mir ein Rätsel.

​

Aber die Auswirkungen sind, dass entlang der äusseren Mauer Menschen sich niederlassen und von den Abfällen leben, welche über die Mauer geworfen werden.

Diese Art der Abfallentsorgung ist gängige Praxis und kaum jemand stört sich daran.

Von den Menschen im Inneren werden diese  davor lebenden "Unberührbaren" nicht wahrgenommen. Sie lernen es schon in frühester Kindheit.

​

Mir kommt es vor, als würden diese Menschen als Abfall betrachtet.

Es sind dann auch diese Menschen, die am Morgen aus dem Abfall ein Feuer entfachen, um sich daran zu wärmen und um Wasser zu kochen.

Die dadurch verursachte Luftverschmutzung ist nicht zu übersehen und ist eine Belastung für uns.